Transsexuellengesetz im Mittelpunkt
ANDERS

Beschluß nach dem Transsexuellengesetz (TSG)

Es gab Post. Wichtige Post. Der Inhalt aus einer nicht öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Frankfurt wird mein Leben ein wenig umkrempeln. Ich bin nun vor dem Gesetz nach dem Transsexuellengesetz eine Frau, was anderswo noch mehr Fragen aufwirft. Aber, noch haben wir nur zwei Geschlechter im Amtswesen.

Folgender Beschluss ergeht nach dem Transsexuellengesetz

In dem Verfahren nach dem Transsexuellengesetz (vollständiger Text des TSG) hat das Amtsgericht Frankfurt am Main am 14.08.2017 beschlossen:

1. Der Vorname der antragstellenden Person wird gemäß §1 TSG geändert. Die antragstellende Person führt künftig die/den Vornamen Anika … (mein Geheimnis).
2. Es wird gemäß § 8 TSG festgestellt, dass die antragstellende Person als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist.
3. Die antragstellende Person hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Verfahrenswert wird auf … festgesetzt. :wacko: (will keiner wirklich wissen) .

Gründe:
Aufgrund der gerichtlichen Ermittlungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die antragstellende Person sich nicht mehr dem im Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem weiblichen als zugehörig empfindet. Die antragstellende Person steht seit mindestens drei Jahre unter dem Zwang diese Vorstellung entsprechend zu leben. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich das Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird.

Es folgen als Begründung noch der Verweis auf die Gutachten der mit den Problemen des Transsexualismus ausreichend vertrauten Sachverständigen und ein paar Erläuterungen zum TSG.

Die Vorschriften in § 8 Abs. 1 Nr.3 und 4 TSG werden bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neureglung für unanwendbar erklärt. Daraus ergibt sich, dass die nach §8 Abs. 1 Nr.1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr.1-3 TSG vorgesehenen Anforderungen nicht mehr erforderlich sind, keine weiteren Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neureglung kommt vorliegend nicht in Betracht, da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber keine Pflicht zur Neuregelung auferlegt hat. Der Gesetzgeber kann die aktuelle Rechtslage auch unverändert bestehen lassen.

Beschluss nach dem Transsexuellengesetz
Hinter dieser Türe wird nach dem Transsexuellengesetz Recht gesprochen

Langer Atem für viele Wege

Von der Abgabe bis zum Beschluss ist ein knappes Jahr vergangen. Genaugenommen 11 Monate. Das lag weniger am Gericht, sondern mehr daran, daß eine Gutachterin ein halbes Jahr beanspruchte, da sie überlaufen war. Die Gutachterinnen haben “nebenbei” ihren ganz normalen Praxisbetrieb. Sie sind auch Therapeuten. Insgesamt sind gute vier Jahre ins Land gegangen mit einer sehr langen Therapie.

Meine Therapeutin:
Fr. Dr. Springer, Tulpenhofstraße 47, 63067 Offenbach am Main

Die beiden Gutachterinnen:
Fr. Dr. Dr. phil. Sophinette Becker, Oeder Weg 9, 60318 Frankfurt am Main
Fr. Dipl.-Psych. Verena Huse, Buchrainstr. 78, 60599 Frankfurt am Main

Die Geschichte mit den Gutachten soll im neuen Transsexuellengesetz (TSG) wegfallen, denn für die betroffenen Personen ist es nicht nur finanziell ein harter Brocken. Ich muss mich zwei weitere mir unbekannte Personen öffnen, mein Leben offen legen. Das ist auch nicht zielführend. Meine Therapeutin hat mich im Laufe der Zeit aber so gut aufgestellt, dass ich ziemlich gefestigt zu den beiden Gutachterinnen gegangen bin. Diese Vorarbeit war viel wert.

Die Anhörung im Gericht

Im Gericht selbst war die Sache nach großzügig gemessenen 15 Minuten vorbei. Der Richter stellte erst die Personalie fest, fragte ob ich etwas gegen die Gutachten vorbringen möchte und vergewisserte sich der beiden Namen die eingetragen werden sollen. Im Anschluss daran klärte er mich über den weiteren Verlauf auf. Es gibt nun Post aus Darmstadt vom Regierungspräsidium und mit diesem Schreiben kann ich nach der abgelaufenen Einspruchsfrist zum Standesamt gehen und mein Leben umschreiben lassen.

Mehr war da nicht.

Nachdenkminute

Es fehlen mir natürlich die Vergleichswerte, um das jetzige System nicht gutzuheißen. Wie ist es mit jungen Trans*Menschen? Ich komme immer ins Grübeln, wenn ich sie sehe, die dann mit 15 Jahren gegen die Pubertät ankämpfen. Ich kenne auch Transfrauen, die sind Totalverweigerer. Die warten bis das neue TSG in Kraft tritt. Ihnen reicht ein Ergänzungsausweis. Ich hätte auch diesen Weg gehen können, wollte ich aber nicht. Und jetzt bin ich nach dem Gesetz eine Frau, in meiner Definition von Frau. Ohne Wenn und Aber. smile

Nachtrag vom 09.10.2017

Rechtskräftiger Beschluss nach dem TSG

Transsexuellengesetz im Mittelpunkt
Nach dem Transsexuellengesetz ergeht folgender Beschluß …
Der (erste) Beschluss beinhaltet eine 4-wöchige Einspruchsfrist. Nach dieser Frist bekommt man den Beschluss als rechtskräftige Ausgabe. Dies geschieht in der Regel automatisch.

Vier Wochen waren herum, dann gibt es zwei Wochen drauf für Ausstellung, Versand und anderes. Anfang Oktober hätte der rechtskräftige Beschluss bei mir eintrudeln müssen. Ist er aber nicht. Noch eine Woche Frist, dann bleibt nur noch, sich selbst der Sache anzunehmen. Letzten Freitag mehrmals im Amtsgericht Frankfurt angerufen, aber da ging keiner ans Telefon. Da ich am Freitagmittag Richtung Waldschlösschen zum Trans*Lehrgang aufbrach, habe ich festgelegt, wenn Samstag nichts im Briefkasten liegt, dann steht das persönliche Vorsprechen am Montag in der Gerichtsstraße auf der Tagesordnung. Sonntag nichts im Briefkasten vorgefunden. Montag nach der Epilation zum Gericht. Uhrzeit: 11:50 Uhr.

Im Gericht

Zimmer 205B ist für mich zuständig. Die Türe war verschlossen. Ebenso die von Zimmer 206B. 204B verwies auf das Nebenzimmer und die Dame aus Zimmer 203B schickte mich zur Geschäftsstelle Zimmer 264 (B?). Dort versicherte man mir, dass Zimmer 205 besetzt sei, aber da Mittagspause ist, könnte niemand da sein und es ein wenig dauern. Bin ich wieder zurück – 205B verschlossen. Vor dem Zimmer 205B stand eine Holzbank und dort habe ich mich hingesetzt. Es wurde nach 12:30 Uhr und kurze Zeit später gingen 5 Personen in das Zimmer 206B. Muss ein großes Zimmer sein. Reges Treiben im Flur. Es wurde nach 13 Uhr, Aufbruch nach Zimmer 264, denn Zimmer 205B war immer noch verschlossen. So auf halbem Weg nach 264, schaute ich zurück, da eine Türe aufging. Eine Frau kam aus 206B heraus, ging an Zimmer 203B vorbei, zu einem anderem Zimmer. Kam zurück, ich wollte schon weiter Richtung 264, denke ich, frage sie mal, vielleicht weiß sie was mit 205B los ist, ob krank.

“Nein, da ist jemand. Gehen sie da rein”, sie deutet dabei auf 206B, “und dann links herum.” Gehe ich nach dem Anklopfen hinein, schau um die Ecke, sieh an, da ist eine Tür zu Zimmer 205B und dort saß jemand. Da habe ich mich natürlich beschwert, denn das Sitzen auf einer harten Holzbank ist nicht so toll.

“Ja, warum kommen sie dann nicht hier rein…?”
“Wenn es heißt 205B, da das Aktenzeichen dort zu Hause ist, was auch am Türschild vermerkt ist, dann gehe ich nicht ins Zimmer 206B.”
(Die Dame von Zimmer 203B ist extra aufgestanden, ist mit mir zu Zi 205B, hat auf mein Aktenzeichen im Beschluss gedeutet und auf das Türschild gezeigt, wo auch die AZ-Gruppe vermerkt war. Zimmer 206B hatte diese Az.-Gruppe nicht.)
Ich musste meinen vorläufigen Beschluss vorzeigen, es kam Bewegung in die Sache und die zuständige Justizangestellte ging mit mir von 206B durch die Zwischentür nach 205B, holte meine Akte hervor… Ich ging zur 205B-Tür, drückte die Klinke herunter, war die Türe aufgeschlossen.

“Na, eben heimlich aufgeschlossen?”
“Nein, die ist die ganze Zeit auf. Wir sind da auch hineingegangen.”

Einer Dame rutsche heraus, dass sie vergessen haben aufzuschließen.

“Wissen sie, ich sitze seit kurz nach 12 Uhr auf der hölzernen Strafbank und habe 205B im Blick. Sie sind alle gemeinsam in 206B rein. Auch ich bin Beamtin, ich erfinde hier aber nichts.”

Rechtskräftiger Beschluß
Nun ist der Beschluß nach dem TSG vom 14.08.2017 rechtskräftig
In der kuren Dialogform wurden meine Akte gewälzt und binnen einer Minute war mein vorläufiger Beschluss rechtskräftig – Stempel, Daten reingeschrieben, Unterschrift, fertig. Ich hatte ja zuerst meine Zweifel, ob das gültig ist, da erklärte sie mir, dass der rechtskräftige Beschluss nichts anderes ist. Es wird “nur” der Stempel mit Unterschrift hinzugefügt. Mein Geburtsort bekommt das auch – hat sie zumindest versprochen. Am Montag nächste Woche werde ich dort anrufen, nachfragen, ob dort was angekommen ist, denn ohne angepasste Geburtsurkunde gibt es keinen neuen Personalausweis mit der Personenstands- und Namensänderung.


Nachtrag 08.02.2019
Link angepasst