Linkschleuder Soziales Netzwerk

Die Linkschleuder der sozialen Netzwerke

Was ist sozial? Wenn sich weit über die Hälfte der Nutzer auf einer Plattform mit hohem Wiedererkennungswert als Linkschleuder outen. Da häufen sich schubweise die verlinkten Spielstände an, einschließlich der damit einhergehenden Einladungen und nebenbei bekommt man mitgeteilt, dass sich nebenan die Lostrommel ganz fleißig dreht. Das Ganze wird so viel vervielfältigt, dass ein entkommen in der Netzwerkblase schier unmöglich ist.

Ich habe mein soziales Engagement fast auf null zurückgedreht und das fällt mir keineswegs schwer. Auf die Linkschleuder Marke facebook und twitter habe ich wenig bis keinen Bock. Ich habe sogar mein AdBlock Plus auf allen Rechnern dahingehend trainiert, mir diese Psychospielchen im fetten Rot nicht mehr unter die Nase zu halten – z.B. 15 Neueinträge unter “Familie”. Geht man hin, sind es Spielstände oder diese “Ick liebe dir”-Mitteilungen. Das scheint heute sowieso(so) irgendwie gang und gäbe zu sein.

Linkschleuder

keine Linkschleuder online
Soziale Netzwerke wie facebook oder twitter müssen aus der Timeline draußen bleiben (Xperia T)

Du bist hübsch, bestimmt auch nett, aber ich kenne dich nicht so gut.

oder

Du bist richtig richtig schön, nett und lustig laugh

Du bist Wunderschön! ♥

Als älterer Mitbürger dieser Netzwerke, auch Sozialstationen genannt, sitze ich dann davor und frage mich, was die Jugend heute, mit 16 Jahren rauchen. Wenn da jetzt wenigstens noch stehen würde

Du bist richtig, richtig schön, schön doof girl_haha

hätte das ja noch ein Aha-Effekt und ich würde bestimmt denken: Siehst, es kommt alles wieder.

Ganz spannend wird es, wenn ein Bild Marke Blumenvase dabei liegt, und jeder der ein like gibt, wird dann auf dem Bild verlinkt. Unter diesen Gesichtspunkten kann der Status gekündigt, gelöscht werden, wie auch immer. Es ist ja nichts Besonderes zu sehen oder zu lesen, weswegen man da innehalten sollte.

 

Volkssport: liken und retweeten

Eine besonders ausgeklügelte Variante der Linkschleuder ist, wenn eine Einladung in den Benachrichtigungen hochgehalten und man darin aufgefordert wird, die Seite des Absenders zu liken. Je mehr likes, desto höher ist man im Ranking, geht allerdings auch als Social-Nutte in die Geschichte ein. Deswegen gibt es auch diese “Hilferufe” über facebook und Co., wo man dann noch eine alte Socke spenden soll. Ab und zu geht Jesus voran, denn jeder Segen ergibt dann ein seliges “like”.

Und dann gibt es auch Genossen, die ihren SEO-Spieltrieb ausleben. Man weiß sofort, aha, da wird wieder Google auseinandergenommen, weil sonst ergibt der Beitrag, der mannigfaltig über alle Sozialstationen verbreitet wird, keinen Sinn. Diese Abos kann man auch löschen und deswegen ist es auch gut, zu selektieren, die guten da, die schlechten da. Wie bei Aschenputtel.

Aber man kann sowieso die Sozialstationen, facebook, twitter und Co. zunageln. Jeder Shitstorm verläuft dann im Sande. Was wollen die Leute machen? Aufstehen und auf die Straße gehen, das warme Wohnzimmer verlassen, um Jens Lehman zu dissen? Wie viele Leute reden Klartext über das, was in Offenbach unter der Erde als Pornokino verkauft wird? Jaja, da ist irgendwas …

Ich kann mit der ganzen iNet-Wichtigtuerei nichts mehr anfangen. Würde mich das Dschungelcamp interessieren, würde ich anderswo sitzen, direkt vor Ort, mir aber nicht die verfreundeten Linkschleuder der Sozialstationen antun. Content schaffen, ohne eigene Sachen. Vom durchgenudelten Zitate-Net bis hin zum rosarotem Lebensgücktraum wird einem alles zugeschmissen, was nicht niet- und nagelfest ist, ob man will oder nicht.

Neben facebook ist auch Twitter eine Linkschleuder. Erst 130 Zeichen Gestammel, ein verkürzter Link nach facebook, und das war es. Unternehmen und Medien sind die größten Linkschleuder. Es kann auch vorkommen, daß am Ende des Links ein Fenster aufploppt und man erfährt, dass die Umsonstmentalität nun vorbei ist, der weitere Spaß nur 10 Euro im Monat kostet.

Und so wie man Beiträge auf facebook liken soll, soll man diese auf Twitter retweeten. Ein ganz großes Armutszeugnis, egal ob Firma oder Organisation und es ist nichts anderes, als das, was der ADAC auch gemacht hat. Wie viele Social Network-Sockenpuppen sind heute schon unterwegs gewesen? Falls es irgendwo klemmt, man kann diese auch anmieten und die schubsen dann kräftig.

 

Die Not ist groß

Als “größte” Tageszeitung im Rhein-Main-Gebiet ist mit fünf Kommentaren zu einem Beitrag mit Video nicht viel Staat zu machen, denn es gilt: Sein oder Nichtsein, auch im Frankfurter Eck. Aber mit 1.000.000 Klicks und mehr auf YouTube, die auf Seite 1 der Printausgabe gefeiert werden, sieht die Welt schon anders aus. Die ganze Welt guckt nach Offenbach. Besonders die Maagugger aus Grönland sind ganz vorne dabei, dicht gefolgt von den Falkland.

Ich bin ja nur deswegen auf Twitter, dass wenn ich unterwegs bin, ich auch meine News-Box hier füttern kann (rechts in der Sidebar). Eine angedachte nette Beigabe für die Besucher. Man muss ja irgendwie was bieten, wenn schon kein Video mit heruntergelassener Hose, dann wenigstens Flockentexte, ohne ins andere Extrem abzugleiten (siehe auch www.ptext.at/nachrichten/streit-ums-goldene-google-kalb-guenstiger-effektiver-seo-pr-721388 Die Geschichte vom goldenen Kalb).

Erst zieht sich die Welt in den Netzwerken aus, säuft sich die Hucke zu und nun hangelt man sich von Linkschleuder zu Linkschleuder. Und weil alle lieber die Klappe bzw. die Finger still halten, da einem alles irgendwann mal auf die Füße fällt, nutzt facebook & Co. dies schamlos aus, analysieren und verwerten alles. Auf meinem Handy sind nicht nur deswegen einige Apps weg oder stillgelegt worden.

Ich brauche keine freundschaftlichen Links unterwegs. Ich höre morgens hin und wieder den Deutschlandfunk, lese die Überschriften im RSS-Reader (RSSOwl), schaue kurz in facebook/twitter rein, lese später die Printausgabe der Frankfurter Rundschau – ohne das Dutzend Schnüffler der Onlineausgabe. Und wenn ich am PC sitze, wird eben zur Kenntnis genommen, wenn RSSOwl eine News hochhält. Das reicht mir vollkommen. Man muss das ja auch alles geistig verarbeiten. Und wenn man permanent unter Strom steht, dem Zwang verfallen ist ja nichts zu verpassen, bzw. nicht in Vergessenheit zu geraten, bleibt was auf der Strecke.

Ich brauche auch kein Internet im Wald oder am See … Da muss ich auch nicht ständig der Welt in einem Netzwerk zur Verfügung stehen, um mir inhaltsloses Gestammel reinzuziehen. Die Welt kriegt sowieso(so) kaum noch einen vernünftigen zusammenhängenden Satz zusammen. Als Bonus bekommt man Bilder ohne Worte vor die Füße geschmissen – friss oder stirb. Da bin ich bei Google selbst besser aufgehoben. Brauch ich das unterwegs? Bestimmt nicht. Das kann ich mir dann am Abend auch als Pausenzeichen zwischen zwei REDTUBE-Filmchen anschauen. So hat auch ohne Wissen des Verursacher sein Posting noch einen Sinn ergeben. Nennt sich: Mehrwert schaffen.

Euch einen schönen Start ins Wochenende. wink


Einwurf 2016: Es geht auch anders …

Bitte nicht retweeten
die taz ist glaube das erste Medium das es auch anders hält, wenn es die Lage erfordert


Update April 2020: Beim Umzug Bilder ergänzt/ausgetauscht oder neu gemacht.